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Auch militärische Lageberichte genießen Urheberrechtsschutz
BGH: EuGH soll in einem Vorabentscheidungsverfahren beurteilen, inwiefern militärische Lageberichte der Bundesregierung Urheberrechtsschutz genießen.

21. Juni 2017

Lagebericht Urheberrecht
(Bild: © thodonal - Fotolia.com)

Mit Beschluss vom 1. Juni 2017 (Az.: I ZR 139/15) hat der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des BGH dem EuGH einige Fragen zur Abwägung zwischen dem Urheberrecht und den Grundrechten auf Informations- und Pressefreiheit vorgelegt.

Onlineportal veröffentlicht geheime Papiere

Grund für den Vorlagebeschluss ist ein Streit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Betreibern des Onlineportals der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Diese hatte auf unbekanntem Wege einige „Unterrichtungen des Parlaments“ (UdP) aus den Jahren 2005-2012 erhalten und sie unter der Bezeichnung „Afghanistan Papiere“ in ihrem Onlineportal veröffentlicht.

Die Bundesregierung lässt wöchentlich Lageberichte über die Auslandseinsätze der Bundeswehr erstellen. Diese werden sodann als „Unterrichtung des Parlaments“ an einige ausgewählte Abgeordnete des Bundestags, ans Bundesministerium der Verteidigung und andere Bundesministerien weitergeleitet. Sie sind stets als Verschlusssachen gekennzeichnet und tragen die Anmerkung „VS-Nur für den Dienstgebrauch“. Dies ist die niedrigste von 4 Geheimhaltungsstufen. Der Presse wird lediglich eine abgespeckte Variante mit der Bezeichnung „Unterrichtung für die Öffentlichkeit“ (UdÖ) weitergeleitet.

Nun sieht die Bundesregierung in der Veröffentlichung der UdPs als Afghanistan Papiere eine Urheberrechtsverletzung und nimmt die Betreiber des Onlineportals auf Unterlassung in Anspruch.

Bislang gaben die Gerichte der Klage der BRD statt

Bislang hatte das Landgericht der Klage des BRD stattgegeben. Auch die Berufung gegen das Urteil vor dem OLG blieb ohne Erfolg. Allerdings verfolgen die Betreiber des Portals mit der Revision vor dem BGH weiter die Abweisung der Klage.

Während des Revisionsverfahrens stellten sich nach Ansicht des BGH bei der Auslegung des Deutschen Urheberrechts unter Berücksichtigung der Urheberrechtsrichtlinie einige Fragen(Richtlinie 2001/29/EG).

BGH: Greifen die unionsrechtlichen Schrankenregelungen?

Insbesondere sei die Frage zu klären, ob eine Urheberrechtsverletzung ausscheide, wenn die Schrankenregelungen des Art. 2 Buchst. A und des Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtslinie greifen. Danach scheidet eine Verletzung des Urheberrechts aus, wenn die Veröffentlichung vom Vervielfältigungsrecht oder dem Recht zur öffentlichen Wiedergabe umfasst ist.

Denkbar sei nach Ansicht des BGH auch, dass die Veröffentlichung der UdP von den Schrankenregelungen zur Berichterstattung über Tagesereignisse und des Zitatrechts umfasst ist. Auch sei bei der Anwendung der Schrankenregelung eine Abwägung der Grundrechte unumgänglich. So sind die Informationsfreiheit sowie die Pressefreiheit umfassend gegenüber den Verwertungsinteressen und Geheimhaltungsinteressen der BRD abzuwägen.

Spielraum bei der Umsetzung von Richtlinien in nationales Recht

Wie auch schon in einem anderen Vorlagebeschluss vom selben Tag, stellt der BGH dem EuGH ebenfalls die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Vorschriften des Unionsrechts in nationales Recht einen Umsetzungsspielraum hat.

Diese Frage ist entscheidungserheblich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts innerstaatliche Rechtsvorschriften, die eine Richtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umsetzen, grundsätzlich nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, sondern allein am Unionsrecht und damit auch den durch dieses gewährleisteten Grundrechten zu messen sind […].

Voraussetzungen der Schrankenregelungen nicht erfüllt

Ferner hat der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Unionsgrundrechte eine Einschränkung des ausschließlichen Rechts des Urhebers an der Vervielfältigung rechtfertigen können. Diese Frage stelle sich, weil die Voraussetzungen der Schrankenregelungen nach dem Wortlaut der Urheberrechtsrichtlinie nicht erfüllt sind.

Denn die Betreiber beschränkten sich darauf, die UdPs für jedermann zugänglich zu machen, ohne selber über diese zu berichten. Somit stand die Veröffentlichung nicht im Zusammenhang mit einer Berichterstattung und erfülle nicht den Zitatzweck. Auch waren die Berichte – so wie es das Zitatrecht erfordert – nicht rechtmäßig veröffentlicht worden.

Keine allgemeine Interessenabwägung außerhalb des Urheberrechts

Auch hat der BGH bereits in seinem Vorlagebeschluss deutlich gemacht, dass keine allgemeine Interessenabwägung außerhalb des Urheberrechts in Betracht komme. Grund dafür sei, dass die urheberrechtlichen Regelungen auf europäischer Grundlage mit den Schrankenregelungen die Rechtsbeziehung zwischen dem Urheberrechtsinhaber und Verwender bereits umfassend regele. Damit scheide aus, dass sich die Betreiber des Onlineportals einzig und alleine auf ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung der UdPs berufen.

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Die Autoren der Beiträge bei urheber.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Urheberrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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