Seite wählen
Hyperlinking: Vor Link setzen Urheberrecht prüfen!
Der EuGH hat entschieden: auch das Setzen eines Hyperlinks kann einen Urheberrechtsverstoß begründen. Wir haben uns das Urteil näher angeschaut.

12. September 2016

Link Urheberrecht
(Bild: © sdecoret - Fotolia.com)

Am 08. September 2016 erging das vielerorts erwartete Urteil des EuGH in der Rechtssache C‑160/15. Viele haben gehofft, dass der EuGH das Linksetzen / Hyperlinking als vollkommen unproblematisch erachten wird. Dies wurde insbesondere nach der Framing-Entscheidung (21.10.2014 – C-348/13) und der Stellungnahme des Generalanwalts erwartet.

Es könne nicht darauf ankommen, ob die Person, die den Link setze, von dem Verstoß weiß oder nicht; so jedenfalls der Generalanwalt. Anders jedoch die Richter des EuGH. Und damit sorgten sie für eine mittelgroße Empörung im Internet.

Uns ging es beim ersten Lesen ehrlich gesagt nicht anders. Doch haben wir uns mit der Meinungsbildung etwas Zeit gelassen und beim zweiten Lesen ist das Urteil vielleicht sogar ein notwendiger Mittelweg.

Der Sachverhalt in Kürze: Sanoma wollte Verlinkung untersagen

Der Medienkonzern „Sanoma“ steckt hinter dem Magazin Playboy und hatte auf Lanzarote Nacktfotos eines Promis anfertigen lassen. Diese Bilder fanden den Weg auf diverse Websites, bevor sie im Playboy veröffentlicht wurden.

Der Blog geenstijl.nl verlinkte zu diesen Bildern und entfernte die Links auch nach Aufforderung nicht, sondern nahm vielmehr weitere Verlinkungen vor. Es folgte ein langwieriger Rechtsstreit.

EuGH zum Framing

Wir erinnern uns: soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, liegt bei Verwendung der Framing-Technik keine Urheberrechtsverletzung vor. Das hatte der EuGH 2014 klargestellt (C‑348/13).

Überlesen wurden jedoch gerne die Entscheidungsgründe und das Wörtchen „allein“ im Tenor. Der EuGH hatte sich nämlich nur zum Setzen eines Hyperlinks zu Werken äußern wollen, die auf einer anderen Website mit Erlaubnis des Rechtsinhabers frei zugänglich gemacht worden waren. Es ging im Kern darum, dass der Urheber die (rechtmäßige) Verbreitung seines Werkes weiterhin kontrollieren können müsse.

Dies hat auch der BGH (Urteil v. 09.07.2015 – I ZR 46/12) erkannt und entsprechend geurteilt. Eine rechtswidrige Nutzung und damit eine Urheberrechtsverletzung konnte also auch nach bisheriger Rechtsprechung selbst beim Framing vorliegen.

EuGH: Linksetzen weiterhin erlaubt – mit Einschränkung bei Erwerbszwecken

In der neuen Entscheidung zur Linksetzung (C‑160/15) saß der EuGH in einer Zwickmühle und musste die bisherige Rechtsprechung konkretisieren. Soll er den Schutz für die Urheber senken oder eine Einschränkung in der Gestaltung und Nutzung des Internets vornehmen. Die Richter wählten einen Mittelweg und setzten dabei ein Zeichen zu Gunsten von Urhebern und ziemlich jede Privatperson. Für Linksetzer mit Gewinnerzielungsabsicht schufen sie hingegen einen erhöhten Prüfungsbedarf.

Handelt derjenige, der einen Link setzt, ohne „Gewinnerzielungsabsicht“, haftet er zunächst für keinen gesetzten Link. Dies gilt auch unabhängig davon, ob ein Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, unbefugt veröffentlicht wurde. Zu Gunsten des Linksetzers könne nicht vermutet werden, dass er den Urheberrechtsverstoß bewusst fördere. Erst wenn „erwiesen“ ist, dass der Linksetzer von dem Verstoß weiß oder davon hätte wissen können, muss eine Überprüfung vorgenommen und im Zweifel der Link entfernt werden.

Wirklich kritisch wird es erst bei einer Linksetzung mit Gewinnerzielungsabsicht bzw. zu Erwerbszwecken. In solchen Fällen

kann von demjenigen, der sie gesetzt hat, erwartet werden, dass er die erforderlichen Nachprüfungen vornimmt, um sich zu vergewissern, dass das betroffene Werk auf der Website, zu der die Hyperlinks führen, nicht unbefugt veröffentlicht wurde, so dass zu vermuten ist, dass ein solches Setzen von Hyperlinks in voller Kenntnis der Geschütztheit des Werks und der etwaig fehlenden Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu seiner Veröffentlichung im Internet vorgenommen wurde.

Diese widerlegbare Vermutung erlegt dem Linksetzer bei Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht eine ziemlich harte Beweislast auf.

Problem: Wann ein Link mit Gewinnerzielungsabsicht gesetzt wird

Kritisiert werden kann, dass der EuGH den offenen und auslegungsbedürftigen Begriff der „Gewinnerzielungsabsicht“ nutzt. Denn natürlich ist der Begriff etwas schwammig. Zudem ist hier mehr als eine Lesart des Urteils möglich. Und hier entsteht evtl. die eigentliche Verwirrung.

Einerseits setzt der EuGH „Gewinnerzielungsabsichten“ mit „Erwerbszwecken“ gleich (vgl. im Urteil Rz. 38, 53, 54) – jedenfalls ist diese Lesart wohl sehr naheliegend, da der Erwerbszweck schon in vorherigen Verfahren immer wieder Gegenstand war (vgl. auch EuGH, Urteil v. 04.10.2011 – verbundene RS C‑403/08 und C‑429/08 Rz. 204 f.; vgl. EuGH, Urteil v. 07.12.2006 – C‑306/05; vgl. EuGH, Urteil v. 07.03.2013 – C-607/11). Und weil der EuGH zum Vorliegen eines „Erwerbszwecks“ schon ausreichend oft geurteilt hat, hat er dazu im vorliegenden Urteil auch nicht weiter ausgeführt.

Man steht bei dieser Lesart jedenfalls vor dem gleichen „Problem“, wie vielerorts sonst auch. Im § 45a UrhG oder im § 58 UrhG beispielsweise ist der fehlende Erwerbszweck sogar ein Tatbestandsmerkmal.

Andererseits wäre auch eine andere Lesart möglich. Der EuGH betont weiterhin, dass es nicht unerheblich sei, ob Erwerbszwecke vorlägen. Um allerdings einen Urheberrechtsverstoß annehmen zu können, müsse die (strengere) Gewinnerzielungsabsicht vorliegen (dagegen spricht aber wohl EuGH, Urteil v. 07.12.2006 – C‑306/05 Rz. 44, 47: Erwerbszweck reicht aus).

So oder so: Ob eine Gewinnerzielungsabsicht bzw. ein Erwerbszweck vorliegen mag, ist natürlich im Einzelfall zu prüfen. Aber wann ist ein Fall schon eindeutig und keine Einzelfallentscheidung? Insofern ist hier eine harsche Kritik relativ verfehlt.  

Problem: Wann man vor dem Linksetzen von dem Urheberrechtsverstoß hätte wissen müssen

Vielleicht ist auch ein anderer Kritikpunkt noch interessant, genauer untersucht zu werden. Denn wann ist eigentlich „erwiesen“, dass jemand von der Urheberrechtsverletzung „hätte wissen müssen“? Hier den richtigen Maßstab zu finden, kann die Gerichte wohl noch einige Tage beschäftigen.

Jedenfalls gibt es in diesem Fall keine Vermutung zu Lasten des Linksetzers – solange er ohne Gewinnerzielungsabsicht handelt. Der EuGH hat somit für viele Internetnutzer ein kleines Hintertürchen offengehalten, insbesondere auch um Abmahnungen diesen gegenüber unattraktiv zu machen oder jedenfalls einzuschränken. Denn der abmahnende Rechteinhaber trägt das Risiko, die Kenntnis des Linksetzers zu beweisen.

Keine Pflicht zu ständiger Überwachung fremder Websites nach Linksetzung

Der EuGH verlangt keine dauerhafte Prüfung der Inhalte einer fremden Website. Ist ein Link gesetzt und wird erst zeitlich danach eine Urheberrechtsverletzung auf der verlinkten Website begangen, ist (bisher) nicht ersichtlich, dass nach dem Urteil eine Haftung des Linksetzers bestehen soll.  

Anders jedoch weiterhin, wenn der Linksetzer auf eine vermeintliche Urheberrechtsverletzung hingewiesen wird. Im Anschluss daran sollte der Link im Zweifel entfernet werden.

Disclaimer als Stolperfalle

Am Rande sei hier noch ein kleiner Hinweis angebracht. Noch immer nutzen viele Webseitenbetreiber – auch nicht gewerblich handelnde – sogenannte Disclaimer. Diese sind einerseits in aller Regel völlig nutzlos sowie teilweise wettbewerbsrechtlich bedenklich. Andererseits bergen Disclaimer nach dem Urteil des EuGH nun ein weiteres, erhöhtes Abmahnrisiko.

Denn oft liest man folgendes (oder ähnlich) als pauschalen Hinweis auf Webseiten:

Unser Angebot enthält Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalte wir keinen Einfluss haben. […] Die verlinkten Seiten wurden zum Zeitpunkt der Verlinkung auf mögliche Rechtsverstöße überprüft.

Wenn nun aber doch ein Urheberrechtsverstoß vorlag und der Link angeblich geprüft wurde, hat sich der Verfasser dieses Disclaimers wohl selbst ein Bein gestellt. Denn dann ist nahezu eindeutig „erwiesen“, dass er von dem Verstoß hätte wissen müssen oder jedenfalls durch Nachfragen darauf hätte stoßen können.

Jedenfalls besteht das Problem dann, wenn nicht bereits die oben genannte Vermutung zu seinen Lasten besteht und diese mit dem Disclaimer nur bestätigt wurde.

Pressefreiheit eingeschränkt – oder?

Vielerorts wird auch zielsicher behauptet, die Pressefreiheit sei in Gefahr. Aber ist das wirklich so? Schon seit je her hat die Presse eine hohe grundrechtlich geschützte Position – und das muss auch so sein, keine Frage.

Man muss sich aber zunächst mal vor Augen halten, welchen Fall der EuGH als Tatsachengrundlage hatte: Da provoziert ein Online-Blog mit der (wiederholten) Linksetzung auf urheberrechtlich geschütztes Material. Es geht also um stumpfes (kommerzielles) Ausnutzen der Leserinteressen, die Playboyfotos vor der Veröffentlichung zu sehen.

Die Frage, die sich der EuGH stellen musste, war also relativ simpel: Muss solch ein Verhalten geschützt werden? Der EuGH sagt wohl zurecht nein. Natürlich besteht ein gewisser Aufwand, wenn man aufgrund des Urteils nun nicht mehr blind einen Link auf Websites setzen darf, auf der Urheberrechte verletzt werden. Aber es gab gar keinen Raum für Diskussionen im presserechtlichen Rahmen, weil die Pressefreiheit gar nicht zur Diskussion stand bzw. stehen konnte – außer man möchte jeden mehr oder weniger kommerziellen Blog als Presse einstufen, was seit je her ein heißes Eisen ist.

Berechtigte Kritik mag dahingehend geäußert werden, dass im Urteil des EuGH den Urheberrechten relativ pauschal ein sehr hoher Wert beigemessen wird. Wenn der EuGH aber tatsächlich derart Pauschal das Urheberrecht auch über die Pressefreiheit stellen wollte, hätte er dies jedenfalls ziemlich sicher zum Ausdruck gebracht. Und daran fehlt es (uns). Wir können aufgrund dieses Urteils keine Gefahr für die Pressefreiheit sehen, da es um eine andere tatsächliche wie rechtliche Diskussion ging.

Sicherlich hätte es auch andere Wege gegeben, aber die Lösung ist klar definiert und gibt sogar abgesehen von kleineren Abgrenzungsschwierigkeiten einiges mehr an Rechtssicherheit, als bisher.

Fazit: Schrittweises Vorgehen vor Linksetzung

In Zukunft sollte also nicht so unbedarft ein Link gesetzt werden, wie es bisher geschah. Insbesondere wird folgendes relevant: Weiß ich von einem Urheberrechtsverstoß? Muss ich Nachforschungen betreiben?

  • Bei Handeln mit Gewinnerzielungsabsicht: Habe ich bei möglichen Zweifeln meine Pflicht erfüllt und die Urheberschaft bis zum Urheber zurück verfolgt? Hier ist eine Dokumentation zu empfehlen!
  • Bei Handeln ohne Gewinnerzielungsabsicht: Will ich es als Linksetzer überhaupt wissen? Jedenfalls bei Hinweis sollte Prüfung erfolgen und ggf. Link entfernt werden!
  • Problemfall: Hätte ich von dem Verstoß erwiesenermaßen wissen müssen? Wenn sich ein Verstoß aufdrängt sollte ebenfalls von Linksetzung abgesehen werden!
l

Ihre Autoren

Die Autoren der Beiträge bei urheber.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Urheberrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

Kommentare

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Bleiben Sie auf dem Laufenden

Sie haben Fragen?

Gerne klären wir mit Ihnen auch Ihr Anliegen im Urheberrecht. Wir freuen uns über eine Kontaktaufnahme. 

Newsletter abonnieren

Erhalten Sie kostenfrei regelmäßige Updates aus unseren Rechtsgebieten.

Folgen Sie uns 

Vernetzen Sie sich über unsere Auftritte in den sozialen Medien mit uns.