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Die sekundäre Darlegungs- und Beweislast des Anschlussinhabers im Filesharing 
Neues zur Frage, wann sich Anschlussinhaber in Bezug auf rechtswidrigem Filesharing haftbar machen.

20. Januar 2023

(Bild: Pete Linforth auf Pixabay)

Eine kurze Einführung in das Filesharing: Es handelt sich dabei um eine Praxis, digitale Medien zu verteilen oder zugänglich zu machen. Dies geschieht im Rahmen von Peer-to-Peer-Dateifreigaben, Cloud-basierten Datei-Hosting-Services und direkter Dateiübertragung. Beim Filesharing wird häufig urheberrechtlich geschütztes Material ohne Genehmigung geteilt.  

Inhaber von urheberrechtlich geschütztem Material beauftragen zunehmend Unternehmen mit der Überwachung entsprechender Plattformen, um Filesharing, insbesondere zivilrechtlich, zu unterbinden und zu verfolgen. Dabei stehen teilweise hohe Summen von Schadensersatzzahlungen im Raum.  

Nachweisen kann man häufig jedoch lediglich, dass ein bestimmter Internetanschluss (zum Beispiel ein WLAN-Netzwerk) genutzt wurde, um Filesharing zu betreiben. Derjenige der Inhaber des Anschlusses (Anschlussinhaber) ist, muss jedoch nicht gleichzeitig alleiniger Nutzer des Anschlusses sein. Grundsätzlich gilt, dass es keine allgemeine Schadensersatzpflicht des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen gibt, die mit seinem Anschluss begangen wurden.  

Exkurs: Darlegungs- und Beweislast im Zivilrecht 

Nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen trägt der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des von ihm geltend gemachten Anspruchs auf beispielsweise Schadensersatz erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich Sache des Anspruchstellers, darzulegen und nachzuweisen, dass der Anschlussinhaber Täter oder Teilnehmer der von ihnen behaupteten Urheberrechtsverletzung ist. 

Sonderfall: Filesharing 

Für die Fälle von Filesharing ist es jedoch auf tatsächlicher Ebene dem Anspruchsteller häufig fast unmöglich diesen Beweis zu führen. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung entwickelt. Diese tatsächliche Vermutung spricht für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten.  

Diese tatsächliche Vermutung ist ausgeschlossen, wenn eine Nutzungsmöglichkeit Dritter bestand. Diese Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.  

Muss sich der Anschlussinhaber also alles zurechnen lassen?  

Eine Vermutung kann auch widerlegt werden. Hier kommt eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast (DBL) des Anschlussinhabers ins Spiel. Diese sekundäre DBL ist gerade keine Beweislastumkehr und auch keine über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.  

Vielmehr muss der Anschlussinhaber dazu vortragen, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Doch auch diese Darlegungslast hat Grenzen. Es kann dem Anschlussinhaber nicht zugemutet und auch nicht von ihm erwartet werden, dass er beispielsweise die Endgeräte von Familienmitgliedern auf Fileshare-Software überprüft. Dementgegen kann eine Verpflichtung zu der Angabe bestehen, ob auf dem eigenen Computer Filesharing-Software verwendet wurde.  

Am Ende kommt es jedoch immer gemäß § 286 ZPO darauf an, ob das Gericht unter freier Beweiswürdigung, zu der Überzeugung kommt, dass eine Täterschaft oder Teilnahme des Anschlussinhabers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegt. Die Überzeugung des Gerichts kann jedoch in gewissem Maße im Konflikt mit der Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers stehen: 

Interessant wird es dann, wenn neben dem Anschlussinhaber noch weitere Dritte zunächst in Betracht kommen, diese jedoch keinem der Dritten eine zwingende Täterschaft nahegelegt werden kann. Man könnte sich nun auf den Standpunkt stellen, dass in Ermangelung anderer (potenzieller) Täter die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers „wiederauflebt“. Es ist denkbar, dass in solchen Fällen der Anschlussinhaber aufgrund des Ausschlussprinzips möglicher anderer Täter und Zeugen haften muss. Dies ist aber kein notwendiges Ergebnis. Vielmehr kann die Vermutung einer Täterschaft des Anschlussinhabers weiterhin, gemäß einer entsprechenden Überzeugung des Gerichts, erschüttert bleiben. Damit würde weiterhin eine Haftung wegen Täterschaft oder Teilnahme des Anschlussinhabers ausscheiden.   

Anschlussinhaber für urheberrechtliche Rechtsverletzungen nicht automatisch als Täter verantwortlich

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Anschlussinhaber für urheberrechtliche Rechtsverletzungen, die aus seinem Netzwerk heraus geschehen, nicht automatisch als Täter verantwortlich ist. Es gibt jedoch eine tatsächliche Vermutung, die besagt, dass der Anschlussinhaber Täter ist, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen den Internetanschluss benutzen konnten. Diese Vermutung gilt jedoch gerade nicht, wenn eine Nutzungsmöglichkeit Dritter bestanden hat.  

Lesenswert, insbesondere hinsichtlich des Konfliktes zwischen der Überzeugung des Gerichts und der Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers, ist das kürzlich ergangene Urteil des AG Düsseldorf (Urteil vom 15. Dezember 2022 – 10 C 102/20).  

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Die Autoren der Beiträge bei urheber.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Urheberrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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