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EuGH: Kein Recht auf Weiterverkauf von „gebrauchten“ E-Books
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 19.12.2019 (Rechtssache C-263/18) entschieden, dass es nicht erlaubt ist ohne Erlaubnis des Rechteinhabers „gebrauchte“ E-Books weiterzuverkaufen.

9. Januar 2020

e-book
(Bild: © Denis Kadackii - Fotolia.com)

Den Stein ins Rollen gebracht hat eine Klage zweier Niederländischer Verlegerverbände: Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers haben ursprünglich vor einem Gericht in Den Haag (der „Rechtbank Den Haag“) beantragt, dass das niederländische Unternehmen Tom Kabinet Internet BV auf seiner Onlineplattform keine „gebrauchten“ E-Books mehr zur Verfügung stellen dürfe. Es ging also um eine Unterlassungsklage.

Gebrauchte E-Books nach dem Lesen weiterverkaufen

Tom Kabinet ermöglichte es seinen Mitgliedern im Rahmen eines sogenannten „Leseklubs“ quasi „gebrauchte“ E-Books zu kaufen und zu verkaufen. Kunden, die bei Tom Kabinet ein E-Book gekauft hatten, wurden aufgefordert, dieses nach dem Durchlesen an Tom Kabinet zurückzuverkaufen und die eigene Version bei sich zu löschen. 

Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe?

Kernpunkt des Streits – den das zwischenzeitlich befasste Berufungsgericht in Amsterdam an den EuGH weiterleitete – war die Frage, ob es sich bei der Tätigkeit von Tom Kabinet um eine sogenannte „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ (Art. 4 Abs. 1 der EU-Richtlinie 2001/29) oder um eine „öffentliche Wiedergabe“ (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie) handelt. 

Wenn es eine Verbreitung darstellt, würde der sogenannte „Erschöpfungsgrundsatz“ greifen: Ein Exemplar, dass einmal legal verkauft wurde, könnte danach innerhalb der Union beliebig oft weiterverkauft werden. Eine Zustimmung des Rechteinhabers – also insbesondere auch der Urheber – wäre nicht mehr notwendig.

In Fällen der Öffentlichen Wiedergabe gilt der Erschöpfungsgrundsatz aber gem. Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie explizit nicht. Hier braucht es für jede einzelne öffentliche Wiedergabe die Zustimmung des Rechteinhabers. Und genau diese hatte Tom Kabinet nicht.

E-Books sind anders zu behandeln als physische Bücher

Der EuGH hat in seiner Entscheidung dargestellt, dass es sich aus seiner Sicht um eine Öffentliche Wiedergabe handelt. Das Gericht hat sich damit auf die Seite der Verlegerverbände gestellt und die Rechte von Urhebern und Rechteinhabern deutlich gestärkt. Grund für die Entscheidung sind vor allem zwei Aspekte. 

Zum einen dient die Richtlinie selbst der Umsetzung eines Urheberrechtsvertrags der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO). Sowohl aus diesem Vertrag als auch den Unterlagen der Unionsgesetzgeber schloss der EuGH, dass die Erschöpfungsregel ausschließlich für körperliche Gegenstände gedacht war. 

Zum anderen würde die Übertragung der Erschöpfungsregel auf E-Books die Interessen der Urheber und Rechteinhaber zu stark gefährden. Weil sich E-Books nicht verschlechtern, sondern eine dauerhafte und perfekte Kopie darstellen, gäbe es keinen Anreiz mehr „neue“ E-Books zu kaufen. Auch könnte ein E-Book theoretisch unendlich lange und unendlich oft weiterverkauft werden, weil es keinem Verschleiß unterliegt.

Mehrere Nutzer nacheinander sind auch eine „Öffentlichkeit“

Problematisch war dann noch die Frage, ob es sich um eine „öffentliche Wiedergabe“ handelt, wenn immer nur ein Nutzer nacheinander ein E-Book liest. Tom Kabinet hatte seine Nutzer ja explizit zum Löschen der jeweils eigenen Kopie aufgefordert.

Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ weit zu verstehen sei. Das Merkmal der Öffentlichkeit kann nicht nur erfüllt werden, wenn mehrere Nutzer gleichzeitig Zugriff erhalten. Vielmehr reicht es auch aus, wenn eine erhebliche Anzahl nacheinander Zugriff auf dasselbe E-Buch erhält.

Amsterdamer Berufungsgericht muss noch abschließend entscheiden

Der EuGH hat damit die maßgeblichen Rechtsfragen geklärt. Nun liegt es am Berufungsgericht in Amsterdam zu prüfen, ob in diesem Fall alle Voraussetzungen für eine öffentliche Wiedergabe vorliegen. Das Urteil selbst stärkt die Position von Urhebern und Rechteinhabern erheblich und dürfte auch alle anderen digitale Gebrauchtmärkte betreffen.

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Die Autoren der Beiträge bei urheber.law sind Rechtsanwälte der Kanzlei Tölle Wagenknecht aus Bonn und u.a. im Urheberrecht tätig. Erfahren Sie mehr über uns oder die Kanzlei, indem Sie Kontakt zu uns aufnehmen.

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