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LG Hamburg untersagt den Weiterverkauf von digitalen Werken
Die Buchbranche feiert einen Erfolg - das Hanseatische Oberlandesgericht spricht ein Weiterverkaufsverbot für E-Books und Hörbücher aus.

30. Juli 2015

E-Books
(Bild: Manuta)

Die deutsche Rechtsprechung ist einheitlich – kein Gebrauchtmarkt für digitale Literatur

Händler und Verlage obsiegen gegen die Klagen des Verbraucherzentrale Bundesverbandes. In seinem Beschluss vom 24.03.2015 (AZ: 10 U 5/11), welcher vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels als „Erfolg für die gesamte Buchbranche“ bezeichnet wurde, stellte das Gericht fest, dass der Weiterverkauf von heruntergeladenen digitalen Medien die Zustimmung des Rechteinhabers erfordert. Somit wurde die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbandes mangels Erfolgsaussichten abgewiesen.

Das ist die dritte Klage dieser Art, bei der sich die Händler und Verlage gegen den Verbraucherzentrale Bundesverband erfolgreich durchgesetzt haben. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels begleitete alle drei Verfahren auf Seiten der Rechteinhaber.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war vor allem die Frage, ob Online-Händler den Käufern digitaler Medien (E-Books und Hörbücher) durch AGB-Klauseln die Weiterveräußerung von heruntergeladenen Werken untersagen dürfen.

Die Reichweite des Erschöpfungsgrundsatzes beim digitalen Bücherhandel

Kernfrage der aktuellen Diskussion ist die Anwendbarkeit des urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatzes auf digitale Medien, im Konkreten auf E-Books und Hörbücher.

Grundsätzlich hat der Urheber bzw. Rechteinhaber nach § 17 Abs. 1 UrhG die Entscheidungsbefugnis über die Veröffentlichung oder Verbreitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes.

Der aus § 17 Abs. 2 UrhG abgeleitete Erschöpfungsgrundsatz bezieht sich auf den Zeitpunkt nach dem „legalen“ In-Verkehr-Bringen des körperlichen Werkes. Hiernach „erschöpft“ sich die Kontrollbefugnis des Rechteinhabers auf die Weiterveräußerung, nachdem ein urheberrechtlich geschütztes Produkt einmal in den freien Handel gelangt ist. Aus diesem Grund können gebrauchte Werke bzw. Waren (z.B. Bücher, CDs, DVDs, Computerspiele, etc.) von Konsumenten unproblematisch weiterveräußert werden.

Daher ist der Weiterverkauf von Produkten, die auf einem Datenträger gespeichert bzw. verkörpert sind, von dem Erschöpfungsgrundsatz umfasst. Die Weiterveräußerung gebrauchter Produkte kann weder von dem Rechteinhaber kontrolliert werden, noch kann er dafür von dem Konsumenten eine Weiterveräußerungsgebühr verlangen.

Schwierig ist dagegen die Sachlage bei immateriellen Werken, unter anderem bei digitalen Downloads.

Ist die Bezeichnung „gebraucht“ auf digitale Medien anwendbar?

Nach Auffassung der Verbraucherschützer dürfen Online-Händler ihren Kunden keine Weiterveräußerungsverbote auferlegen. Hierzu wird die Analogie mit einem auf Datenträger gespeicherten Werk (Papierform, CDs etc.) gesucht, bei dem aufgrund des Erschöpfungsgrundsatzes ein Weiterverkauf durchaus möglich ist. Als Argument dafür, dass zwischen digitalen und analogen Büchern kein großer Unterschied bestünde, ziehen die Verbraucherschützer auch den Kostenfaktor heran, da beide Varianten fast gleich teuer seien.

Der Online-Handel wehrt sich gegen diese Auffassung mit dem Argument, dass „digitale Bücher unendlich vervielfältigt und weitergegeben werden können, ohne sich jemals abzunutzen“. Darüber hinaus befürchten die Anbieter und Rechteinhaber eine Gefährdung des Primärmarktes für digitale Literatur, wenn der Weiterverkauf von heruntergeladenen Werken in Zukunft gestattet wird.

Im vorliegenden Fall hat sich das Hanseatische Gericht gegen die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes entschieden und somit die Position des Online-Handels bekräftigt. Durch den Beschluss zeichnet sich eine einheitliche Tendenz in der deutschen Rechtsprechung ab. Hiernach dürfen vom Internet heruntergeladene E-Books und Hörbücher nicht weiterveräußert werden.

Der Weiterverkauf auf europäischer Ebene

Eine wichtige Rolle für die zukünftige Entwicklung der Rechtsprechung in Deutschland könnten die Tendenzen bezüglich der Auslegung des Erschöpfungsgrundsatzes im europäischen Raum spielen.

Ursprünglich erfolgte eine strenge Differenzierung zwischen materieller und immaterieller Erschöpfung. Der Erschöpfungsgrundsatz hatte hauptsächlich für die Warenverkehrsfreiheit – Art. 34 und 35 AEUV – und nicht für die Dienstleistungsfreiheit – Art. 56 AEUV – eine Relevanz. Der Weiterverkauf materieller Güter, welche Gegenstand der Warenverkehrsfreiheit sind, unterlag folglich dem Erschöpfungsgrundsatz, wobei die Weiterveräußerung immaterieller Werke – Gegenstand der Dienstleistungsfreiheit – lizenzpflichtig war.

Spätestens seit der UsedSoft-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 03.07.2012 (Rs. C-128/11) wurden diese klaren Grenzen durchbrochen. Die UsedSoft Deutschland GmbH handelt mit gebrauchten Software- Lizenzen. Die Frage, ob heruntergeladene und lizenzgeschützte Software weiterverkauft werden darf, erfuhr dabei eine neue Auslegung. Hier hat der EuGH bei Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes entschieden, dass das ausschließliche Recht zur Verbreitung einer lizenzierten Programmkopie sich ebenfalls mit dem Erstverkauf erschöpfe.

Wird die Pro-Software-Weiterverkauf-Sichtweise des EuGH auf andere digitale Medien übergreifen?

Spannend bleibt die Entwicklung auf europäischer Ebene. Kürzlich hat ein niederländisches Gericht die Ansicht vertreten, dass auch digitale Bücher weiterverkauft werden dürfen. Nunmehr wurde die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Ein weiterer Streit bezüglich des digitalen Bücherverleihs besteht zwischen den niederländischen Bibliotheken und Verwertungsgesellschaften und den Verlagen.

Die verschiedenen Auffassungen der europäischen Gerichte betreffen im Grunde die Frage bezüglich der Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes.

Sichtbar herrscht keine Einigkeit darüber, ob die EuGH- Auslegungsmethode aus der UsedSoft- Entscheidung ohne Weiteres auf andere digitale Produkte übertragbar ist. Dies könnte sich auch auf die Weiterveräußerung von heruntergeladenen Filmen, Musik sowie Computerspielen auswirken und somit stark den Internet-Handel mit E-Books, Musik und Software beeinflussen.

Daher bleibt abzuwarten, ob die EuGH – UsedSoft- Rechtsprechung zukünftig auch den Weiterverkauf anderer digitaler Medien betreffen wird.

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